It’s ME, Christina!
Mein Name ist Christina, ich bin 41 Jahre alt. Bis vor einem Jahr war ich noch mit Leib und Seele Gymnasiallehrerin. Im August 2023 kippte mein bis dahin erfülltes Leben in sehr kurzer Zeit in eine andere Richtung. Als sich bei mir im Spätsommer 2023 die Symptome einer Bronchitis zeigten, freute ich mich gerade auf ein neues Schuljahr. Dass dieser Husten der Anfang vom Ende meines bisherigen Lebens war, ahnte ich da noch nicht.
In den folgenden Wochen wurde ich schwächer und es stellten sich neue Symptome ein. Schwindel, Schlafstörungen und extreme Erschöpfung waren nur der Auftakt zu einer Kettenreaktion weiterer Verschlechterung.
Innerhalb von drei Monaten konnte ich nicht mehr arbeiten. Es dauerte weitere Wochen und viele Praxisbesuche, bis ich die Diagnose ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue Syndrom) erhielt. Heute bin ich 18 Stunden am Tag bettlägerig, mit Pflegegrad 3. Meine Wohnung verlasse ich nur für Arzttermine und brauche dabei Hilfe.
ME/CFS hat mein Leben in einem Wimpernschlag auf den Kopf gestellt. Als aktive Frau wurde ich zum Pflegefall. Fernsehen, Musik hören, lesen – selbst das ist nur noch sehr eingeschränkt möglich. Der Alltag, wie ich ihn kannte, existiert nicht mehr und so wie mir geht es vielen, die häufig bereits resigniert haben.
Ein Bild aus besseren Zeiten.
Die wichtigste Unterstützung in dieser schwersten Zeit meines Lebens erfahre ich durch meinen Freund Dennis.
Ertrinken im eigenen Körper
„Mir fallen dazu die folgenden Worte ein: versinken, ertrinken, erdrückt werden, im Nebel sein, vom Leben abgeschnitten, gefangen im eigenen Körper, Kontrollverlust, lähmende Schwere, Kraftlosigkeit, nie zuvor gekannte Erschöpfung, Isolation.“
Wie bei jedem Schmerzempfinden und jeder Krankheit ist das Erleben von ME/CFS höchst individuell. Durch Erfahrungsberichte anderer weiß ich inzwischen, dass das Gefühl von Hoffnungslosigkeit und Hilflosigkeit die meisten Patient:innen betrifft.
Die Tage mit ME/CFS fühlen sich an, als würde mich eine starke Kraft von meinem alten Leben forttreiben – vom Miteinander, von der Natur, dem Lachen und der Freiheit.
Etwas ist irreparabel zerstört und durch eine lähmende Schwere und krankhafte Erschöpfung ersetzt worden. Selbst Geräusche, früher eine willkommene Ablenkung, werden zur Qual. Ich kann aktuell nur noch eine halbe Stunde am Stück sitzen, nur noch wenige hundert Meter am Tag laufen, keine Bücher mehr lesen, keine Musik mehr hören, ich war seit November 2023 auf keiner kulturellen oder anderen Veranstaltung, habe keinen Laden mehr betreten, bin komplett an Wohnung und Bett gebunden.
Mein Körper, auf den ich mich verlassen konnte, ist nun ein fremdes Land. Er bietet keine Sicherheit mehr, trägt nicht mehr. Die Welt ist unwirklich – als würde ich durch ein mit Watte gefülltes Fenster schauen. Selbst das vertraute Wohnzimmer wird fremd. Selbst in meine Träume ist diese dystopische Welt eingezogen.
Stell dir einfach einen Mix aus Corona, Grippe und Kater vor, jeden Tag, lebenslang. Und jeder Versuch, weiterzumachen, schwächt nur noch mehr. Ich erlebe ME/CFS als ein Siechtum.